Skillmatrizen gehören zu den „nützlichsten Tools überhaupt, wenn es um die Evaluierung der Skills und Kompetenzen von Mitarbeitenden geht – so die Einschätzung des Gründers von eLearning Industrie.”
Ganz ähnlich sehen dies auch die Expertinnen und Experten von Training Industry, die in Skillmatrizen einen „Game Changer für die Weiterbildung in Unternehmen sehen.”
Auf dem Weg zur skillbasierten Organisation braucht es ein solides Fundament für eine Erfolgsstrategie, in deren Mittelpunkt gezielte Skillentwicklung steht. Genau dafür können Skillmatrizen einen wichtigen Baustein bilden.
Was ist eine Skillmatrix?
Sie werden oft als Gitter, Tabelle, Diagramm oder Liste erstellt und stellen die Fähigkeiten dar, die ein Mitarbeiter für eine bestimmte Rolle hat oder benötigt. Qualifikationsmatrizen helfen Unternehmen, Qualifikationslücken zu erkennen, ihre Mitarbeiter weiterzubilden, Positionen zu besetzen und vieles mehr.
So innovativ wie Exness Skillmatrizen für sich genutzt hat, waren sie ganz klar ein Game Changer für das Fintech-Unternehmen mit Sitz in Zypern. Unterstrichen wurde dies vergangenen Monat bei den Degreed Visionaries Awards 2024, bei denen sich der Degreed-Kunde die Gold-Auszeichnung als Learning Innovator of the Year (Innovator des Jahres im Bereich Lernen) sichern konnte. Bei dieser Gelegenheit wollten wir natürlich vom L&D-Team von Exness erfahren, wie es Skillmatrizen unternehmensweit implementierte und so seine Lernprozesse transformierten konnte.
Spannende Einblicke dazu gaben uns Dmitry Shevchenko, Online L&D Manager, Masha Komarova, Talent Development Manager, und Denis Kasalinskii, Senior Online Learning Specialist.
Die Exness-Geschichte: Pivots, Zusammenarbeit und Engagement
Degreed: Thematisch wird sich in unserem Gespräch alles um Skillmatrizen drehen. Zunächst würden wir aber gerne mehr über die Lernlandschaft erfahren, die vor der Implementierung Ihres preisgekrönten Programms bei Exness bestand.
Shevchenko: Wir hatten ein sehr einfaches Lernmanagementsystem (LMS) mit intern entwickelten Kursen. Die Anforderungen unserer Mitarbeitenden variierten doch sehr. Denn wie bei Tech-Unternehmen üblich, ist ihre Arbeit natürlich technisch geprägt, zugleich sind sie aber auch viel mit direkter Kundenbetreuung beschäftigt. Diese diversen Lernanforderungen galt es, durch unser Lernsystem abzudecken – mit einer Plattform, die sich mit anderen Inhaltsbibliotheken ebenso wie mit unterschiedlichen Plattformen integrieren lässt. Denn so würden wir auch Inhalte aus externen Ressourcen anbieten können. Für die meisten der von uns benötigten Themen ist es nämlich wenig sinnvoll, Inhalte selbst zusammenzustellen. Zum Beispiel gibt es für Python jede Menge gute Kurse online. Warum sollten wir also unsere eigenen Kurse erstellen, wenn wir einfach etwas Externes nutzen können?
In dieser Zeit haben wir auch erkannt, dass es nicht ausreicht, den Mitarbeitern nur Inhalte zur Verfügung zu stellen. Wir wollten eine Plattform, einen Rahmen, der den Lernbedarf, die aktuelle Situation und die Fähigkeiten der Mitarbeiter analysiert und die Inhalte an den tatsächlichen Lernbedarf anpasst. Also haben wir uns nach anderen Lösungen umgesehen und uns für Degreed entschieden.
Degreed: Ungefähr ein Jahr nach Ihrer Degreed-Implementierung haben Sie Ihre Strategie grundlegend neu ausgerichtet. Daraus ist auch das Programm rund um die Skillmatrizen entstanden, für das Sie ausgezeichnet wurden. Was waren die Gründe dafür?
Shevchenko: Wir hatten einige zentrale Herausforderungen zu bewältigen. Unser Unternehmen wuchs rasant, entsprechend komplexer wurde unsere Struktur. So kam es dazu, dass Mitarbeitende mit unterschiedlichen Positionen und Titeln mitunter dieselben Funktionen erfüllten. Zudem hatten wir Neuzugänge sämtlicher Erfahrungsstufen, deren diversen Weiterbildungsanforderungen wir adäquat Rechnung tragen mussten. Deshalb führten wir Skillmatrizen ein, da wir damit einen klaren Rahmen für die Kompetenzanforderungen jeder Ebene schaffen konnten. So ließ sich sicherstellen, dass Schulungen für jeden Rollentyp zielgerichtet und effektiv sind.
Bisher boten wir reaktiv Schulungsdienste für die von uns angeforderten Schulungen an, z. B. auf Anfrage von Führungskräften oder als Reaktion auf ein festgestelltes Problem.
Diese Anfragen kamen verstreut zu uns, von einzelnen Mitarbeitenden oder Managern. Wir hatten kein Instrument, um einen gemeinsamen Wachstumsbereich zu identifizieren, der z. B. für eine ganze Abteilung gilt.
Komarova: Bestimmte Job-Familien sind, wenn Sie so wollen, nicht in einer Abteilung angesiedelt, sondern sind über die gesamte Unternehmensstruktur verteilt. Zum Beispiel Designer, Programmierer und Projektmanager. Das sind Leute, die für verschiedene Teams arbeiten, aber ähnliche Aufgaben haben. Außerdem wurde die Benennung von Arbeitsplätzen nicht richtig kontrolliert. Es lag ganz im Ermessen des Managers. Wir hatten eine riesige Liste mit eindeutigen Berufsbezeichnungen, die wir zusammenfassen mussten, weil die Art der Aufgaben ziemlich gleich war.
Denn dadurch entstand Unsicherheit: Wer etwa in der Programmierung tätig war und nach einer Rolle in einem anderen Team Ausschau hielt, konnte dort womöglich nichts Passendes finden, obwohl es eine solche Rolle gab. Oder umgekehrt: Eine Person bewarb sich für eine Rolle, die gar nicht ihren Erwartungen entsprach.
Um also die Rollen in unserem Unternehmen besser zu verstehen und einheitlicher zu gestalten, kategorisierten wir sie nach ihnen zugehörigen Skills.
Degreed: Okay, das hat also zur Formalisierung von Kompetenzmatrizen geführt. Lassen Sie uns mehr darüber sprechen. Wie sah diese neue Richtung wirklich aus? Wie funktioniert sie?
Shevchenko: Heute vereinen wir Skillmatrizen mit datengestützten Erkenntnissen zu einem zielorientierten, adaptiven Ansatz für die Mitarbeiterentwicklung. Skillmatrizen geben dabei Aufschluss über bestehende Skilldefizite, anhand von Datenanalysen ermitteln wir die Weiterbildungsanforderungen in unserem Unternehmen proaktiv. Dabei behalten wir alles durchgängig im Blick, um relevantes Lernen sicherzustellen, das mit individuellen Karrierezielen ebenso im Einklang steht wie mit unseren Unternehmenszielen. Mit diesem Ansatz schärfen wir nicht nur die Skill-Sets unserer Mitarbeitenden. Wir fördern auch eine Kultur des fortlaufenden Lernens, die direkt zu messbaren Ergebnissen wie einer höheren Arbeitsleistung und mehr Innovation beiträgt.
Degreed: Wie sind Sie bei der Implementierung des Programms für Skillmatrizen konkret vorgegangen?
Shevchenko: Zunächst einmal haben wir bei der Erstellung jeder Matrix eine Reihe fachkundiger Mitglieder aus den jeweiligen Teams hinzugezogen. Außerdem musste jede Matrix mehrere Genehmigungsrunden durchlaufen. Ein Kernelement der Strategie betraf zudem die Vorbereitung der technischen Infrastruktur. Hierzu haben wir sämtliche Matrizen in Form von Rollenplänen in Degreed hochgeladen und sie strukturiert. Ergänzend dazu haben wir ein Middleware-Skript in Python geschrieben, das wöchentlich ausgeführt wird und aktiven Mitarbeitenden via API automatisch die für sie relevante Skillmatrix zuweist. Auf diese Weise kann eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattfinden. So haben wir insgesamt 590 individuelle Rollenpläne mit spezifischen Skillzielen entwickelt, welche die meisten Rollen bei Exness abdecken.
Darüber hinaus haben wir die Skill Assessments gestrafft. Die Mitarbeiter nehmen jährlich eine Selbsteinschätzung anhand einer Skill-Matrix und eines Rollenplans mit 8 bis 5 Skills vor, gefolgt von einer Überprüfung durch einen Vorgesetzten. Auf diese Weise werden Qualifikationsdefizite identifiziert, was zu persönlichen Entwicklungsgesprächen, der Erstellung individueller Entwicklungspläne und Schulungsvereinbarungen führt.
Für noch genauere Skill-Assessments haben wir Prüfungen externer Anbieter integriert. So haben wir etwa ein eigenes Middleware-Skript entwickelt, das entsprechend den Ergebnissen bei einem externen Einstufungstest für Business-Englisch ein Skill-Rating zuweist. So konnten wir die Genauigkeit unserer Skilldaten erhöhen. Begleitet haben die Maßnahmen umfassende Schulungen und Workshops für Mitglieder aus dem HR-Team sowie Führungskräfte und Mitarbeitende, um die Bedeutung von Skill-Assessments, zugrunde liegende Beurteilungsverfahren sowie darauf folgende Schritte zu vermitteln.
Durch die Integration von Degreed mit der Recruiting-Plattform Greenhouse haben wir zudem unsere Prozesse zur internen Stellenbesetzung optimiert. So gewährleisten wir einheitliche Skilltaxonomien und erleichtern den Abgleich offener Stellen mit Skillprofilen. Dies motiviert Mitarbeitende, ihre Profile auf dem neuesten Stand zu halten, was den Personalverantwortlichen wiederum bei der Kandidatensuche hilft. Darüber hinaus haben wir benutzerdefinierte Dashboards in Google Looker Studio erstellt, um Degreed Advanced Analytics zu ergänzen und die Fähigkeiten mit Hilfe von Chat GPT-4 zu kategorisieren. Dies ermöglicht eine solide Datenanalyse und fundierte Entscheidungen für zukünftige Lernziele.
Degreed: Und das Ergebnis?
Shevchenko: Rund 85 % der Mitarbeitenden haben heute eine gültige Skillmatrix. So verzeichnen wir mehr Engagement bei der Aktualisierung von Degreed-Profilen und der Bewertung von Skills: 65 % der Mitarbeitenden beurteilen inzwischen sämtliche Skills aus ihrer Matrix, 40 % erhalten Beurteilungen zu all ihren Skills von Führungskräften.
Dabei zeigt sich auch insgesamt eine deutliche Zunahme der Lernaktivitäten. So ist etwa die Anzahl angezeigter Inhaltselemente um 88 % in die Höhe geschnellt, bei erledigten Elementen liegt der Zuwachs bei 42 %.
Zudem agieren wir längst nicht mehr so reaktiv. Stattdessen trifft unser globales L&D-Team Entscheidungen jetzt proaktiv auf der Grundlage handfester Daten aus Skill-Assessments. So schneiden wir zentralisierte Schulungen seit diesem Jahr nicht mehr einzig darauf zu, was nach Einschätzung der Abteilungsleitungen benötigt wird, sondern was uns fundierte Daten zu Mitarbeitenden verraten. Unsere Schulungsangebote sind dadurch relevanter geworden. Unsere Lerninitiativen sind generell präziser und wirkungsvoller.
Die Feststellung eines Anstiegs der GoLang-Suchanfragen führte beispielsweise zur rechtzeitigen Veröffentlichung eines entsprechenden Plans, der zeitlich mit der Umstellung eines größeren Projekts von Python auf GoLang zusammenfiel.
Dieser Plan wurde schnell zu einer unserer meistgenutzten Ressourcen. Darüber hinaus haben wir die Kompetenzdaten aus dem Programm sogar genutzt, um Teilnehmer für unser „Exness Masters“-Programm zu gewinnen. Es besteht aus 25 Fachexperten aus dem gesamten Unternehmen, die Inhalte kuratieren und Peer-to-Peer-Schulungen durchführen.
Degreed: Welche Lektionen haben Sie auf dem Weg dorthin gelernt? Was würden Sie anderen empfehlen, die einen solchen Ansatz umsetzen möchten?
Shevchenko: Für die Entwicklung der Skillmatrizen war es ganz entscheidend, sowohl Führungskräfte als auch erfahrene Teammitglieder aus den Fachbereichen mit einzubeziehen. Gezielte, persönliche Workshops für verschiedene Gruppen wiederum halfen dabei, Mitarbeitende in die Vorhaben einzubinden und den Wandel zu vermitteln. So haben wir die Bedeutung des Projekts und seinen Nutzen für alle herausgestellt. Das hat sicher auch zu den hohen Teilnehmerzahlen und dazu beigetragen, dass die Skill-Assessments so präzise ausfallen.
Kasalinskii: Zudem fördern wir das Engagement durch Aktivitäten wie unternehmensweite Sessions zum Wissensaustausch. Manchmal sind sie auch nur auf einen bestimmten Bereich oder einzelne Abteilungen beschränkt, in anderen Fällen kündigen wir an, dass in diesem oder jenen Monat eine für alle Interessierten offene Session stattfindet. Zudem ermitteln wir nach Möglichkeit zum Quartalsende die Person, die Degreed am aktivsten für Online-Kurse nutzt. Als Preis bekommt sie dann einen Hoodie mit unserem eigens für L&D ins Leben gerufenen Branding „ Learning Never Stops“.
Am wichtigsten dabei: Wir machen all dies regelmäßig – nur so kann es wirklich funktionieren.