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Das Auswahlverfahren für Lerntechnologien: So funktioniert’s in 3 Schritten

Sie suchen nach einer neuen, passenden Lerntechnologie?

Glückwünsche sind angebracht! Aber auch Vorsicht ist geboten. 

Bevor Sie gleich die Unternehmenskreditkarte zücken, sollten Sie sich genau überlegen, was Sie erreichen wollen. Höchstwahrscheinlich befinden Sie sich gerade in einem Beschaffungs- oder Auswahlprozess, der in der Regel eine Ausschreibung (Anforderung von Informationen, Angebot oder Kostenvoranschlag) umfasst.

Und wenn das Auswahlverfahren nicht sorgfältig gehandhabt wird, kann es Ihren Zeitplan erheblich durcheinanderbringen oder sogar Ihr gesamtes Projekt zum Stillstand bringen.

Das Ausschreibungsverfahren: Herausfordernd, aber wichtig

Die Durchführung eines Auswahlverfahrens vor einer größeren Anschaffung ist in vielen Unternehmen obligatorisch, doch es geht oft mit einigen Herausforderungen und Schwierigkeiten einher.

Ein Auswahlverfahren kann zeitaufwendig sein, korrekt durchgeführt wird es jedoch zu einem wichtigen Instrument – und nicht nur eine Geduldsprobe. Es kann unnötige Wiederholungen verhindern und Ihre Organisation davor bewahren, sich mit einem Tool begnügen zu müssen, das nicht ihre Bedürfnisse erfüllt und Ihre Mitarbeitenden nicht dabei unterstützt, zu wachsen und die wichtigsten Geschäftsziele Ihres Unternehmens zu erreichen.

„Jede Forschungsarbeit beginnt mit einer Hypothese, und das Gleiche sollte auch für die Auswahl und die Beschaffung neuer Lerntechnologien gelten“, so Dan Carlson, Degreed Senior Manager für Ecosystem Insights, Marketing und Kommunikation. Bevor er Teil von Degreed wurde, arbeitete er als Berater und Manager für Technologielösungen und verfasste und prüfte zahlreiche Ausschreibungen. „Ein formelles Auswahlverfahren, das mit einer gründlichen und systematischen Ausschreibung beginnt, bietet Ihnen die Chance, Ihre Hypothese zu validieren und sich über Ihre Bedürfnisse im Vergleich zu Ihren Wünschen, Zielen und Ergebnissen klar zu werden – und darüber, mit welchem Anbieter Sie Ihre Ziele erreichen können.“

Wie können Sie das Auswahlverfahren optimal nutzen und es für sich arbeiten lassen? Während des gesamten Prozesses ist es wichtig, dass Sie und Ihr Team herausstellen, was für Sie und Ihr Unternehmen wirklich wichtig ist. Sie sollten den Prozess nicht nur als eine Übung zur Überprüfung von bestimmten Produktmerkmalen oder Konformitätspunkten betrachten. Lassen Sie uns daher drei wichtige Schritte erkunden, die Sie unternehmen können, um das Auswahlverfahren für eine neue Lerntechnologielösung für Sie und Ihre Organisation zu optimieren.

1. Schritt: Bereiten Sie sich gut vor.

Sie haben bereits den Markt sondiert, die Anbieter und ihre Angebote genau angeschaut und eine Gruppe von Lerntechnologie-Anbietern gefunden, die Ihre Bedürfnisse erfüllen könnten? Perfekt!

Heißt das, dass Ihr Unternehmen zum Kauf bereit ist? Noch nicht. Es gibt noch einiges zu bedenken. Aber Sie sind Ihrem Ziel schon näher gekommen. Jetzt folgt die Feinarbeit: Schauen Sie sich wichtige Details genau an.

Ihr Business Case

Ein solider Business Case für den Kauf einer Lernlösung, der Ihre Ziele hervorhebt und den Nutzen für Ihr Unternehmen unterstreicht, stellt sicher, dass alle wichtigen Stakeholder in Ihrem Unternehmen mit an Bord gebracht werden. Nur so können Sie die richtige Lösung  finden.

Beschreiben Sie daher in Ihrem Business Case Ziele, die mit den Zielen und zentralen Ergebnissen (Objectives and Key Results, OKRs) Ihres Unternehmens übereinstimmen, sowie spezifische und einzigartige Vorteile, die Sie erwarten – einschließlich bestehender Probleme, die die Lösung beheben wird, oder erwünschter Effizienzsteigerungen. Je mehr Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators, KPIs) eingeflochten werden, desto besser. Später können Sie diese KPIs in Ihr Auswahlverfahren einbeziehen, um herauszufinden, wie konkurrierende Anbieter Ihnen und Ihrem Unternehmen zum Erfolg verhelfen würden.

Ihr Ziel: die Zustimmung aller internen Stakeholder. So können Sie nach der Bewertung der Anbieter reibungslos und ohne interne Hindernisse in die Auftragsvergabe und Implementierung übergehen.

Ihr Budget

Die Abwägung zwischen den Kosten und dem, was Sie sich leisten können, spielt eine große Rolle bei den Entscheidungen, die Sie am Ende des Auswahlverfahrens treffen. Dies ist unvermeidbar.

Haben Sie alle Beteiligten von Ihrem Business Case überzeugen können, ist es an der Zeit, das entsprechende Budget genehmigen zu lassen. Es kann äußerst frustrierend und kontraproduktiv sein, ein Angebot abzugeben, bevor das Budget feststeht, nur um dann festzustellen, dass Ihr Business Case doch nicht so überzeugend ist, wie Sie dachten, oder dass einige wichtige interne Entscheidungsträger:innen das Projekt blockieren. Als Anbieter erleben wir das ständig: Nach Hunderten von Stunden der Zusammenarbeit mit uns stellen potenzielle Kunden fest, dass sie doch nicht über das nötige Budget für einen Kauf verfügen.

Holen Sie während der Budgetplanung von den Anbietern die geschätzten Lizenzierungskosten ein. So können Sie feststellen, wie viel Geld Sie einplanen müssen. Beziehen Sie dabei alle wichtigen internen Stakeholder wie die IT, die Personalabteilung und die Führungsebene mit ein.

Ihre Ziele, richtig eingeordnet

Überprüfen Sie die Ziele Ihres Business Case und überlegen Sie, welche am wichtigsten sind. Gehen Sie dabei sorgfältig vor und ordnen Sie Funktionen (z. B. Assessment-Funktionen oder eine integrierte Skilltaxonomie), Anforderungen (z. B. Standorte für das Datenhosting oder Integrationsmethoden) und Dienstleistungen (z. B. Unterstützung bei der Implementierung oder Kundenservice) nach ihrer Priorität ein. Dies sind dann Ihre „geschäftskritischen Anforderungen“. Berücksichtigen Sie natürlich auch unternehmensweite Compliance-Anforderungen, die über Ihr eigenes Projekt hinausgehen (z. B. Nachhaltigkeitsziele oder vertragliche Anforderungen).

Sobald Ihre Prioritätenliste feststeht, dient Sie Ihnen als Leitfaden beim Verfassen Ihrer Ausschreibung.

Viele Anbieter werden Ihnen Dinge verkaufen wollen, die Sie vor Beginn des Auswahlverfahrens weder wollten noch brauchten. Vergleichen Sie Funktionen möglichst nicht direkt miteinander und konzentrieren Sie sich lieber darauf, welche Elemente einer Technologielösung Ihre Endbenutzer:innen und Ihr Unternehmen tatsächlich zum Erfolg führen werden. Heißer Tipp: Ihre Prioritätenliste kann Ihnen auch dabei helfen, den Erfolg einer Lösung zu messen, nachdem sie implementiert wurde.

Wir können Sie bei der Suche nach dem richtigen Lösungsanbieter mit einer Reihe von Fragen unterstützen, die Sie bei der Auswahl von Lerntechnologie-Anbietern stellen können. Verwenden Sie diese, um Ihre Bemühungen und Ihre Strategie zu optimieren:

2. Schritt: Ausschreibung verfassen.

Los geht’s! Die obigen Schritte sind abgehakt und nun geht es an das Verfassen der Ausschreibung. Es gibt mehrere Komponenten zu beachten, die sich auf Formate und Leistungen, Engagement und den Inhalt der Ausschreibung beziehen. Schauen wir uns diese einmal genauer an.

Projektbeschreibung und Anweisungen

Erstellen Sie ein gesondertes Dokument, das Ihr Unternehmen, Ihr Projekt und Ihre Ziele klar beschreibt. Dieses Dokument wird oft als Projektumfang bezeichnet und sollte eine Liste der erwarteten Ausschreibungsleistungen und alle Anweisungen oder Einschränkungen umfassen sowie spezielle Formate, Wortzahlbegrenzungen, Anweisungen für Querverweise und optional Ihre Prioritäten und Bewertungskriterien.

Dieses Dokument ist für den Anbieter schreibgeschützt und kann mit einem Tool Ihrer Wahl erstellt werden.

Spezifische Produktfragen

Bei der Beschaffung von Lerntechnologien stellen die meisten unserer potenziellen Kunden eine Übersicht mit Fragen zur Verfügung, die sich leicht mit Ja, Nein oder einem kurzen Kommentar beantworten lassen. Die Tabelle ist oft in Registerkarten (z. B. funktionale und nicht-funktionale Fragen) oder Abschnitte (einschließlich Anweisungen wie die von Degreed empfohlenen Fragen zur Auswahl eines geeigneten Anbieters) gegliedert.

Sie können mehrere Antwortformate vorgeben (z. B. Ja oder Nein, Multiple-Choice oder Freitextfeld) und die Anbieter auffordern, zusätzliche Informationen zu wichtigen Themen in einem separaten Dokument bereitzustellen, was die Organisation und Bereitstellung von längeren Antworten, Bildern und Diagrammen erleichtern kann.

Grad des Engagements

Der Grad des Engagements, den Sie von den Anbietern erwarten, hängt davon ab, ob Sie mit einem Anfrageformular (RFI, Request for Information), Angebotsformular (RFP, Request for a Proposal) oder einer Ausschreibung (RFQ, Request for a Quotation) arbeiten. In der RFI-Phase ist es z. B. wahrscheinlich nicht notwendig, die Anbieter um eine Neuformulierung Ihrer Standardvertragsvereinbarung zu bitten, da Sie zunächst eine lange Liste von Anbietern eingrenzen wollen, die später in der RFP-Phase verwendet werden kann.

Geben Sie alles an, was die Compliance betrifft und was für Ihr Unternehmen Priorität hat. Wenn Sie strenge Richtlinien zur Informationssicherheit oder zum Datenschutz haben, kann die frühzeitige Angabe dieser Punkte dazu beitragen, das Feld schnell einzugrenzen. Geben Sie diese Punkte lieber früher als später an, um eine Enttäuschung später im Prozess zu vermeiden, wenn Sie mit einem großartigen Anbieter vorankommen, mit dem Sie letztendlich dann doch nicht zusammenarbeiten können. Gleiches gilt für vertragliche Einschränkungen.

Inhalt

Sobald Sie Ihre Formate festgelegt haben und wissen, welche Informationen Sie für die Durchführung Ihres Bewertungsprozesses benötigen, ist es an der Zeit, Vorlagen mit Ihren Fragen und Anforderungen für die Anbieter zu erstellen.

Bitten Sie die Anbieter nicht um eine Liste aller verfügbaren Optionen, sondern konzentrieren Sie sich vielmehr auf die Merkmale und Funktionen, die Sie wirklich brauchen. Anbieter können durch eine schlecht geschriebene Ausschreibung, die ein Sammelsurium von Technologien oder Plattformen beschreibt, leicht den Überblick verlieren.

Stellen Sie einfache Fragen für einfache Antworten. Formulieren Sie die Fragen so, dass sie leicht zu verstehen und zu beantworten sind und – Ihnen vor allem die benötigten Informationen schnellstmöglich liefern.

Stellen Sie keine allgemeinen Fragen wie diese:

Was ist Ihre Integrationsstrategie?

Stellen Sie stattdessen gezielte Fragen wie diese:

Arbeiten Sie mit einem offenen Ökosystem?

Wie integrieren Sie sich in bestehende Technologien?

Wie werden Inhalte zu Ihrer Plattform hinzugefügt?

Breit angelegte Fragen führen zu Antworten, die von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich ausfallen, was einen Vergleich der Lösungen erschwert. Gezielte Fragen, die in Unterthemen gegliedert sind, erleichtern dagegen den Vergleich.

3. Schritt: Anbieter vergleichen.

Zur Bewertung von Anbietern sollten Sie zunächst deren Antworten auf der Grundlage Ihrer Prioritäten und Bewertungskriterien einschätzen. Möglicherweise stellen Sie schnell fest, dass die Merkmale und Funktionen von Anbieter zu Anbieter ähnlich gewichtet sind, was zu ähnlichen Bewertungen führt.

Was können Sie in solch einem Fall tun? Schauen Sie sich dann an, wie konkurrierende Anbieter mit Ihren geschäftskritischen Anforderungen umgehen.

Compliance und Ausrichtung als Unterscheidungsmerkmal

Erinnern Sie sich an die geschäftskritischen Anforderungen, die Sie in Schritt 1 ermittelt und in Ihre Prioritätenliste aufgenommen haben? Jetzt ist ihr Moment gekommen. Gehen Sie Ihre Liste durch und streichen Sie die Anbieter, die Ihre Compliance-Anforderungen an die Vertragsgestaltung, die Informationssicherheit oder andere wichtige Kriterien nicht erfüllen.

Wenn Sie dies geschafft haben, können Sie sich darauf konzentrieren, welche Lernlösungen am besten auf die wichtigsten Anforderungen Ihres Unternehmens und Ihre Projektziele abgestimmt sind. Nehmen Sie sich Zeit für die Punkte, die Sie in Schritt 1 als oberste Prioritäten festgelegt haben, unabhängig davon, ob sie in die Kategorie der Funktionen, Anforderungen oder Dienstleistungen fallen.

Gezielte Prüfung

Ordnen Sie die Fragen und Antworten der verbleibenden Anbieter nach ihrer Wichtigkeit. Halten Sie sich dabei an Ihre Ziele und Ihre Prioritätenliste aus Schritt 1. Dies ist besonders wichtig, wenn unerwartete, verführerische Angebote auftauchen. Nur zu gern lassen wir uns oft von unnötigem „Schnickschnack“ ablenken.

Werden Sie während des Auswahlverfahrens mehr erfahren und lernen, als wenn Sie es nicht durchgeführt hätten? Natürlich. Doch Achtung, verlieren Sie nie Ihre gesetzten Ziele aus den Augen und versuchen Sie nicht plötzlich ein Problem zu lösen, das es zuvor nicht einmal gab.

Bewertung von Anbietern

Schauen wir uns nun genauer an, wie Sie die Antworten der Anbieter anhand Ihrer Prioritätenliste methodisch bewerten können.

Eine Möglichkeit ist, den Antworten der Anbieter Zahlen zuzuweisen (z. B. könnten einige eine 7 oder 8 erhalten, während ein anderer eine perfekte 10 erhält).

Oder Sie betrachten jede einzelne Antwort und fragen sich dabei: „Wie wichtig ist das?“ Mit dieser Frage im Hinterkopf können Sie jede Antwort in eine der folgenden Kategorien einordnen:

Nicht so relevant

Die Antwort des Anbieters hat für die Lösung Ihres Problems keine große Relevanz. Auch wenn sie gut erscheint, ist sie nicht wichtig.

Okay

Die Antwort des Anbieters klingt gut, es braucht sie jedoch nicht, um die Projektziele zu erreichen.

Besser als das, was wir jetzt haben

Die Antwort des Anbieters erfüllt oder übertrifft vielleicht sogar Ihre Erwartungen.

Sehr hilfreich

Die Antwort des Anbieters ist genau das, was Sie suchen. Sie löst Ihr ursprüngliches Problem und entspricht Ihren geschäftlichen Anforderungen.

Bauchgefühl und abschließende Überlegungen

Wenn Sie zusammen mit den Antworten auf Ihre spezifischen Fragen eine Art erweitertes Angebot angefordert haben, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, diese Informationen miteinzubeziehen. So können Sie Anbieter mit ähnlichen Ergebnissen besser unterscheiden.

Lesen Sie am Ende die Zusammenfassungen des Anbieters. Wie fühlen Sie sich dabei? Versteht er, was Sie erreichen wollen? Hat der Anbieter gezeigt, wie seine Lösung und sein Team Sie dabei unterstützen kann, Ihre Ziele zu erreichen?

Fazit

Manche Unternehmen haben keine hochgesteckten Lernziele. Oft wollen sie nur eine Software, die den Mitarbeitenden Inhalte als „Bonus“ anbietet. Andere wollen nicht nur Inhalte, sondern auch Skillaufbau und Lerndaten. Egal, was Sie sich vorstellen, eine klare Definition Ihrer Ziele und die Durchführung eines Auswahlverfahrens können Ihnen helfen, Ergebnisse zu erzielen, die Ihr Unternehmen voranbringen.

Wir bei Degreed sind der Meinung, dass es bei der Suche nach einem Anbieter um mehr geht als nur um die Beschaffung von Software oder die Auswahl einer Technologie mit den richtigen Komponenten. Es geht darum, einen Partner zu finden. Es geht darum, dass Sie sich gehört fühlen. Es geht darum, dass Sie verstanden und unterstützt werden – und all das sollte schon ab dem ersten Tag so sein, lange bevor ein Vertrag unterzeichnet wird.

Kelsy Meyer ist Senior Global Proposal Specialist bei Degreed mit Schwerpunkt auf strategischem Angebotsmanagement.