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L&D-Trends 2024: Was ist in diesem Jahr angesagt und was nicht?

Jede Revolution, so beschrieb es der US-amerikanische Poet und Philosoph Ralph Waldo Emerson, war zuerst ein Gedanke im Kopf eines Menschen. Wiederholt sich dieser Gedanke und beginnt er, die Vorstellungskraft mehrerer Menschen zu beflügeln, so wird er nach Emersons Ansicht „die ganze Epoche prägen“.

Übertragen lässt sich dies auch auf das revolutionäre Modell des skillorientierten Lernens. Angefangen damit, Stakeholder dafür ins Boot zu holen, über die Förderung seiner Akzeptanz aufseiten der Lernenden bis hin zu seiner Realisierung – der Erfolg eines L&D-Programms hängt entscheidend davon ab, inwieweit Weiterbildungsverantwortliche aktuelle Veränderungen, Trends und Innovationen im Bereich L&D nicht nur verstehen, sondern auch umsetzen können.

„Konzentrieren Sie sich zunächst auf die Trends, die für die Mission und Ziele Ihres Unternehmens am relevantesten sind“, rät Janice Burns, Chief Transformation Officer bei Degreed. „Mit ihnen sollten Sie sich als Erstes vertraut machen – und sich nicht zu viel zumuten. Sie müssen nicht direkt die Quadratur des Kreises schaffen.“

Werfen wir also einen Blick darauf, was im weiteren Verlauf des Jahres 2024 im L&D-Bereich angesagt ist und was nicht. Anspruch auf Vollständigkeit erhebt diese Liste zwar keineswegs. Als erster Ideengeber für anstehende Entscheidungen rund um Ihre L&D-Strategie ist sie aber sicherlich dennoch hilfreich.

Angesagt: künstliche Intelligenz

Überraschen dürfte es wohl kaum jemanden mehr, aber seit mit der Einführung von ChatGPT Ende 2022 ein neuer Zeitgeist weht, gehört generative KI in Technologie und Wirtschaft zu den prägendsten Themen überhaupt. Dabei mag sich der Glaube aufdrängen, dass sich KI in erster Linie auf die Computerprogrammierung, die bildende Kunst oder das Schreiben von E-Mails auswirken wird. Tatsächlich aber spricht vieles dafür, dass KI auch den Bereich L&D in erheblichem Maße verändert wird.

„Von allen Bereichen, die von KI betroffen sind, wird Corporate Learning die wohl tiefgreifendste Transformation erfahren”, so der Befund von Josh Bersin, Analyst, Gründer und CEO von The Josh Bersin Company. „Dass KI diesen Bereich revolutionieren wird, zeichnet sich inzwischen klar und deutlich ab.“

Als Gründe hierfür nennt Bersin erstens die deutlich weniger zeitaufwendige und komplexe Generierung von Inhalten, die KI möglich macht. Zweitens die Personalisierung der Lernerfahrung dadurch, dass KI Details aus Lerninhalten nachvollziehen, Lernpfade individuell anpassen und ihre Bereitstellung optimieren kann. Drittens nennt er die Skill-Identifikation und -Entwicklung, bei der KI-gestützt die Fähigkeiten von Einzelpersonen abgeleitet und diesen entsprechend passende Schulungen bereitgestellt werden können. Auch werden durch KI nach seiner Einschätzung klassische Schulungen durch Tools zur Wissensvermittlung in Form von intelligenten Agents oder Chatbots ersetzt werden, die Informationen liefern und Probleme lösen.

Nicht angesagt? KI-Einsatz ohne Bedacht

In der jüngst veröffentlichten Learning and Development Global Sentiment Survey 2024 dominierte KI klar die Liste der Trends mit dem größten Einfluss auf den Bereich L&D: Tatsächlich nannten sie 21,5 % der über 3.200 im Rahmen der Studie befragten L&D-Verantwortlichen aus 97 Ländern – so viele wie noch nie zuvor.

Ihr Spitzenplatz als Top-Trend  ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Denn zugleich führt KI auch die Liste der größten Herausforderungen für L&D im Jahr 2024 an.

„Ganz richtig“, kommentiert hierzu Donald H. Taylor, leitender Analyst der Umfrage. „KI ist für die Befragten sowohl der angesagteste als auch der besorgniserregendste Trend für das kommende Jahr.“

Natürlich betrachtet jedes Unternehmen die Thematik etwas anders. Sind Führungskräfte in Sorge um KI, findet dies insbesondere darin Ausdruck, dass sie Regulierungsdefizite, die mit KI verbundenen Kosten oder ethische Fragen mit Argwohn betrachten. Hinzu kommen Sorgen um die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entwicklung der nötigen Skills für eine effektive Nutzung von KI. Genau hierin dürften KI-affine L&D-Verantwortliche wiederum eine Chance zur Generierung von geschäftlichem Wert durch gezieltes Upskilling in kritischen Bereichen sehen. So gilt es für sie aber auch zu verstehen, wie sie KI ethisch vertretbar, sicher und kosteneffizient in L&D-Plattformen einbinden können.

Angesagt: Konsequenter Skill-Aaufbau in kollaborativen Lernumgebungen

Gut möglich, dass Ihnen die Begriffe Kohortenlernen oder Lernakademie in letzter Zeit untergekommen sind. Vielleicht ist ihre Umsetzung bei Ihnen aber auch schon in vollem Gange. In jedem Fall sind Akademien nach Ansicht von Josh Bersin der „nächste große Entwicklungsschritt im Bereich Corporate Learning“. Eine durchaus treffende Einschätzung, stellen Akademien doch eine Lösung für ein Problem in Aussicht, das selbst milliardenschwere Ausgaben bis dato nicht lösen können: den Umgang mit den weltweit immer weiter zunehmenden Skill-Defiziten und das Schließen dieser Lücken.

Was genau sind Lernakademien? Es handelt sich dabei um kollaborative Umgebungen, in denen Mitarbeitende in Gruppen oder Kohorten zusammenkommen, um ganz gezielt die für ihr Unternehmen wichtigsten Skills aufzubauen. Diejenigen, die das Thema Akademien bereits stark vorantreiben, denken in großen Dimensionen: Ihnen ist klar, dass tiefgehendes Upskilling eine kritische Lernanforderung darstellt, die im Unterschied zu klassischen Schulungen oder alltäglichem Lernen eine reichhaltigere, länger andauernde und intensivere Lernerfahrung erfordert.

Neben der sozialen Dynamik, die Mitarbeitende dabei durch Lernen von und mit Peers und Fachexpert:innen erfahren, vermittelt dieses Konzept Kontext, regt zu Diskussionen an und ermöglicht Coaching und Feedback. Unternehmen wiederum können durch Akademien Kosten reduzieren, die Bindung und Motivation von Mitarbeitenden stärken und die Weichen für eine Zukunft stellen, die von fortlaufendem Upskilling und Reskilling geprägt ist.

Nicht angesagt: von oben delegiertes Lernen

Lernerfahrungen, die für Menschen relevant und passgenau auf ihren Erfolg zugeschnitten sind, werden deutlich besser von ihnen angenommen. Dies gilt umso mehr, wenn sie in ihre Lernmöglichkeiten eingebunden sind und die Inhalte, die sie dabei nutzen möchten, selbst verwalten können, statt von oben angeordnete Schulungen als Pflichtprogramm absolvieren zu müssen.

Dementsprechend nimmt das Interesse an  dezentralisierten Alternativen zur klassischen Hochschulbildung auch immer stärker Einfluss auf die Unternehmenslandschaft. Die Kernprämisse dahinter: Personalentwicklung ist effektiver und zielführender, wenn Mitarbeitende Lernmöglichkeiten erhalten, die ihnen nicht nur das vermitteln, was sie für ihre jeweiligen Rollen benötigen, sondern was für ihre individuellen Ad-hoc-Anforderungen ebenso relevant ist wie für ihre langfristigen persönlichen Ziele.

Ganz ähnlich brachte es Degreed President Maxwell Wessel jüngst auf den Punkt: „Mitarbeitende schreiten schneller in ihrer Karriere voran, wenn sie die dazu nötigen Lernmöglichkeiten direkt an der Hand haben. In einer skillbasierten Organisation gestaltet es sich deutlich einfacher, Mitarbeitenden gezielt relevante Lerninhalten bereitzustellen und sie auf dem neuesten Stand zu halten, als dies mit Pflichtschulungen zum allgemeinen Durchschnittswissen für ihre jeweilige Rolle möglich wäre.“

Angesagt: demokratisiertes Lernen auch für Frontline-Mitarbeitende

Der weltweite Markt für die Weiterbildung von Frontline-Mitarbeitenden – all jene, die direkt mit Kunden oder anderweitig mit Menschen interagieren oder in Produktion, Betrieb usw. tägig sind – wird einem aktuellen Bericht des Consulting-Unternehmens MarketsandMarkets zufolge bis 2028 auf das Doppelte anwachsen und damit ein Volumen von 46 Milliarden US-Dollar erreichen.

Dabei werden in dem Bericht diverse Vorteile identifiziert, die mit einer stärkeren Einbindung dieser auch als mobile oder Frontline-Beschäftigte bezeichneten Arbeitnehmergruppe einhergehen. So etwa weniger Unfälle und Verletzungen, höhere Kundenzufriedenheit, geringere Mitarbeiterfluktuation, mehr betriebliche Agilität und eine Verbesserung der Arbeitsmoral.

Wie außerdem die Analyst:innen von McKinsey & Co feststellen, messen Frontline-Beschäftigte (z. B. im Einzelhandel, im Gastgewerbe und im Gesundheitswesen), die allein in den USA 70 % aller Arbeitnehmenden ausmachen, ihrer Karriereentwicklung häufig einen größeren Wert bei als ihrer Vergütung.

In der Tendenz ist diese Gruppe hoch qualifiziert, übt häufig körperliche Tätigkeiten aus und unterliegt in der Regel stringenten Compliance-Vorgaben. Und da mobile Mitarbeitende ihr Tagesgeschäft naturgemäß eher weniger am Schreibtisch oder Computer verrichten, gestaltet sich ihre Weiterbildung auf klassischem Wege mitunter schwieriger.

Ihr Zugang zu Weiterbildung ist jedoch unerlässlich dafür, dass sie sich dem Team zugehörig fühlen – auch wenn sie nicht täglich mit ihren Kolleg:innen am Schreibtisch in Kontakt sind. Um Weiterbildung für mobile Mitarbeitende zu demokratisieren und die damit verbundenen Vorteile zu erschließen, gilt es, ihnen über alle Karrierestufen hinweg einfachen Zugang zu Lernressourcen zu ermöglichen.

Nicht angesagt? Lernprogramme mit einseitigem Fokus auf Schreibtischpersonal

Wie vorstehend festgestellt, sind demokratisierte Weiterbildungsmöglichkeiten der Schlüssel, um Frontline-Mitarbeitende zu erreichen. Wie aber lassen sich L&D-Strategien und -Programme so anlegen, dass sie über Schreibtisch- und Büropersonal hinausgehen?

Nun, der erste Ansatzpunkt hierfür sind Online- und mobile Lernoptionen wie etwa Videokurse, Podcasts und ganz generell all jene Inhalte, durch die sich Mitarbeitende direkt in ihrer jeweiligen Arbeitsumgebung oder unterwegs schrittweise durcharbeiten können.

Ein hervorragendes Beispiel hierfür liefert die kolumbianische Öl- und Gasgesellschaft Ecopetrol: Durch die Einführung neuer Lernerfahrungen konnte das Unternehmen Mitarbeitenden auf allen Ebenen ein neues Mindset in Sachen Lernen vermitteln. So hatten die Mitarbeitenden über einen Zeitraum von nur sechs Monaten bereits 440.000 Lernelemente absolviert. Umso überraschender war es dabei für die Lernverantwortlichen, dass einige der ersten Teilnehmenden aus den Bereichen Produktion und Wartung stammten und nicht aus der Verwaltung. Mit einem derart hohen Engagement hatte das L&D-Team bei weitem nicht gerechnet.

Mitarbeitende dazu zu ermutigen, selbstständig zu lernen, ist ebenso wichtig wie der allgemeine Zugang zu den verfügbaren Tools und Ressourcen. Wenn Beschäftigte so lernen können, wie es für sie am besten ist und sich dabei eigene Ziele setzen dürfen, nehmen sie auf diese Weise ihre Entwicklungsgeschichten selbst in die Hand.

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Ob Ihre L&D-Programme den Anforderungen dieses Jahres Rechnung tragen, dazu liefert Ihnen unser Bericht „Wie die Belegschaft lernt“ spannende Erkenntnisse – ebenso wie zu den geschäftlichen Potenzialen, die Sie durch Mitarbeiterbildung erschließen können.