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Trotz Rezession: Sicherung des L&D-Budgets

Für L&D-Verantwortliche kommen Aussagen wie die Folgende einer Hiobsbotschaft gleich: In Zeiten lahmender Konjunktur müssen wir überall Abstriche machen, auch bei Weiterbildungsmaßnahmen.

So manches Unternehmen hatte schon mit der Pandemie schwer zu kämpfen, doch nun droht mit der herannahenden Rezession bereits das nächste finanzielle Ungemach. Erneut sind Umsätze rückläufig, einmal mehr müssen diverse Geschäftsbereiche fürchten, dem Rotstift zum Opfer zu fallen. In Zeiten weltweiter wirtschaftlicher Turbulenzen wie diesen trifft es dabei allzu leicht den L&D-Bereich. 

Für Sie gilt es daher, genau das zu verhindern. Denn gerade in konjunkturellen Schwächephasen ist L&D unabdingbar, um Top-Talente zu fördern, zu halten und durch Upskillings dabei zu unterstützen, das Unternehmen stärker im Wettbewerb zu positionieren.

Wenn L&D auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen soll, ist jetzt der Zeitpunkt, die Lernaktivitäten eng mit den entscheidenden Zielen Ihres Unternehmens abzustimmen.

Abstimmung setzt Verständnis voraus.

Setzen Sie hier einen kurzfristigen Zeithorizont an. Welche Ziele sind aktuell zu priorisieren, was ist für das kommende Quartal entscheidend? Indem Sie L&D-Initiativen daran ausrichten, können Sie die richtigen Personen schnellstmöglich für genau die Aufgaben fit machen, die aktuell am drängendsten sind.

„In der Unternehmensführung zählt zuallererst der Beitrag zum Geschäftserfolg, danach der ROI“, schreiben Analytics-Experte Jack Philips und Patti Phillips, die ehemals leitende Positionen im Versorgungssektor bekleidete, in einem jüngst in Chief Learning Officer veröffentlichten Artikel auf Grundlage einer Erhebung des ROI Institute, dem die beiden als Chairman bzw. CEO vorstehen.

Idealerweise sollte die Personalabteilung daher so eng in die Prozesse der verschiedenen Fachbereiche eingebunden sein, dass sie überhaupt keine eigenen Budgetanfragen mehr einreichen muss. So würde etwa die IT im Zuge der Einführung eines neuen Systems automatisch auch damit verbundene Schulungsprogramme budgetieren, die in Abstimmung mit internen L&D-Fachleuten entweder über externe Quellen umgesetzt oder intern zusammengestellt werden. Ein anderes Beispiel wären Bestrebungen zur regionalen Expansion vom Vertrieb: Neben dafür womöglich nötigen Personalaufstockungen würde in die Kalkulation etwa auch direkt ein gemeinsam mit Schulungspartnern umgesetztes Programm zur Vertriebsschulung einfließen.

„L&D-Programme gelten unter Führungskräften zumeist nicht als Investition, sondern als Kostenfaktor, den es zugunsten der Ressourcenersparnis möglichst kleinzuhalten gilt“, geben Jack und Patti Phillips in ihrem Artikel zu bedenken.

In puncto Abstimmung braucht es Weitsicht über die Rezession hinaus.

In diesem Zusammenhang am stärksten gefährdet sind den beiden zufolge Programme, die unter die folgenden Kategorien fallen:

  1. Kostenintensiv (und somit idealer Kandidat für Sparmaßnahmen)
  2. Fokussiert auf Soft-Skills (was häufig als eher unnützes Beiwerk gilt)
  3. Auf langfristige Zeithorizonte oder einen Wandel der Unternehmenskultur ausgelegt
  4. Leicht zurückzustellen (auch neue Initiativen)

Generell würden Sie sicher am liebsten alle Ihre Initiativen vor dem Rotstift bewahren. Strategisch gesehen ist es aber sinnvoller, für jede einzelne davon das jeweilige Risiko zu ermitteln, Argumente für die Rechtfertigung zurechtzulegen und zudem auch solche Initiativen zu bestimmen, bei denen gewisse Abstriche möglich wären.

Patti und Jack Phillips empfehlen hierfür folgende Vorgehensweisen:

1. Fürsprechende mobilisieren

Budgetbezogene Entscheidungen fallen in aller Regel nicht nur an einer Stelle. Für L&D-Verantwortliche gilt es daher, alle Register zu ziehen.

„Das finale OK wird zwar ganz oben besiegelt, dort auch dort stimmt man sich mit anderen Führungskräften ab. Überlegen Sie daher, welche wichtigen Projekte etwa Bereiche wie Operations oder Marketing mit Ihrer Unterstützung abschließen konnten. Diese Erfolge können Sie bei den jeweils zuständigen Führungskräften vorbringen, damit diese sich für die Budgetierung Ihrer L&D-Initiativen einsetzen“, empfehlen die beiden hierzu.

2. Zeit gewinnen

Dass Budgetkürzungen ohne vorangehende Diskussionen oder Analysen beschlossen werden, ist Patti und Jack Phillips zufolge eher selten der Fall. Ihrer Einschätzung nach werden Ihnen die meisten Führungskräfte also auch etwas Zeit geben, in der Sie starke Argumente für Ihre Position erarbeiten können.

3. Geschäftlichen Nutzen und ROI demonstrieren

Am ehesten werden Führungskräfte die Finanzierung Ihrer Projekte bewilligen, wenn Sie überzeugend darlegen können, dass sie mehr einbringen als sie kosten. Gefragt ist also eine klar nachvollziehbare Ermittlung des potenziellen ROI – ein Punkt, den nicht nur Patti und Jack Phillips herausstellen, sondern auch führende Köpfe aus dem L&D-Bereich. „Untermauern Sie den Wert durch handfeste monetäre Zahlen“, schreibt dazu etwa Senior L&D Manager Megan Dillon in diesem Artikel.

Wir bei Degreed würden dem noch hinzufügen, dass Sie hier mit den richtigen Zahlen – nämlich solchen, die weit über klassische Methodiken zur L&D-Erfolgsmessung hinausgehen – noch deutlich überzeugender auftreten können.

„Wenn Sie die Geschichte Ihrer Personalentwicklung auf neue Art und Weise und mit neuen Metriken erzählen, können Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Führungskräfte gewinnen und Ihr Lernprogramm zu einer wichtigen Geschäftspriorität machen“, erläutert Susie Lee, Senior Vice President & Global Business Transformation Officer bei Degreed. Sie ermutigt L&D-Verantwortliche, Kennzahlen zu kommunizieren, die die Auswirkungen von Lernen, Talententwicklung und Karrieremobilität besser verdeutlichen. „Es geht um die höchsten Prioritäten und größten Ziele Ihres Unternehmens und darum, zu zeigen, wie eine Investition in Ihre Teams dabei hilft, diese zu erreichen.“

In ihrem Buch „The Expertise Economy“ warnen Degreed CEO und Mitbegründer David Blake und Chief Learning & Talent Officer Kelly Palmer davor, dass Corporate Learning oft eher als Kostenstelle denn als Faktor zur Umsatzgenerierung wahrgenommen wird. „Lernen wird dann meist reaktiver und nicht strategischer. So bittet eine Führungskraft um ein Schulungsprogramm zu unbewussten Vorurteilen, eine andere zu agiler Weiterentwicklung und eine dritte vielleicht zu effektivem Onboarding.“

Dabei geben Blake und Palmer außerdem zu bedenken: „Eine starke und erfahrene Führungskraft, kann dann eine … Strategie basierend auf den Daten von mehreren Quellen entwickeln und demonstrieren, wie Lernen sowohl das Unternehmen als auch die Angestellten positiv beeinflussen kann.“

Mehr als nur Mittelmaß: Kennzahlen mit Aussagekraft

Weder dem/der CEO noch den Leitungen von Fachbereichen oder einzelnen Teams, ja noch nicht einmal den Mitarbeitenden selbst werden Sie den Wert von L&D-Initiativen nachvollziehbar darlegen können, wenn Sie nur festhalten, wie viele Kurse abgeschlossen oder wie viele Stunden an Schulungen absolviert wurden.

Kombinieren Sie diese Werte mit Effizienzverhältnissen wie Schulungsstunden pro Mitarbeitendem, Kosten für eine Schulungsstunde und der Auswahl an Lernmethoden. So können Sie ein grundlegendes Bild davon zeichnen, wie Beschäftigte mit Ihren L&D-Initiativen interagieren.

Doch auch diese Kennzahlen sagen nichts darüber aus, ob die Lerninhalte auch verinnerlicht wurden.

Deshalb sollten Sie noch einen Schritt weitergehen:

Stellen Sie die Effekte auf die Motivation heraus.

Wie Gallup im Rahmen seiner Studie State of the Global Workforce 2022 vorrechnet, entstehen der Weltwirtschaft allein durch geringe Motivation von Mitarbeitenden jährlich Kosten in Höhe von 7,8 Billionen US-Dollar, was einem Anteil von 11 Prozent am weltweiten BIP entspricht. Weiterhin geht aus der unter 112.312 Geschäftsbereichen in 96 Ländern durchgeführten Analyse hervor, dass die Motivation von Mitarbeitenden starken Einfluss auf zentrale geschäftliche Leistungskennzahlen wie Personalbindung, Produktivität, Sicherheit am Arbeitsplatz und Profitabilität hat.

Bei Ihrer Argumentation geht es in diesem Kontext letztlich darum, den geschäftlichen Nutzen Ihrer Initiativen darzulegen. Inwieweit Mitarbeitende diese annehmen und sich persönlich für die Weiterentwicklung ihrer Skills und ihren beruflichen Aufstieg engagieren, liefert also einen Indikator dafür, ob Sie kulturell zu Innovation und Fortschritt innerhalb Ihres Unternehmens und somit zur Profitabilität beitragen.

Hierfür relevant sind folgende L&D-Daten:

  • Aktivierungen
  • Login-Häufigkeiten
  • Monatlich aktive Benutzer:innen (MAU) und ob diese wiederkehren
  • Vergebene und erledigte Zuweisungen
  • Net Promoter Score (NPS)

 

Kommunizieren Sie soziale Zusammenhänge.

Hierbei geht es darum, inwieweit ein Austausch von Fachwissen zwischen Mitarbeitenden auf sämtlichen Ebenen Ihres Unternehmens stattfindet, Lernen also nicht einzig bei fest von L&D vorgegebenen Veranstaltungen erfolgt. Wichtig sind hier Fragen danach, wie Mitarbeitende sich gegenseitig etwa durch Crowdsourcing, kollaboratives und Eins-zu-Eins-Upskilling unterstützen. Daran können sie erkennen, an wen sich Mitarbeitende wenden, um Hilfe und Anleitung zu erhalten, und so wichtige Influencer:innen und Expert:innen identifizieren, aktivieren und binden. All dies hilft Ihnen bei einer effizienten Auswahl und Kuratierung interner wie externer Lerninhalte.

In diesem Kontext sind folgende Aspekte von Bedeutung:

  • Trend-Skills und Skills der Zukunft
  • Empfehlungen für Lerninhalte, Mitarbeitende und Erfahrungen
  • Kernpunkte, inklusive dem Prozentsatz der Angestellten, die diese aufzeichnen
  • Influencer:innen

Machen Sie Skill-Kontexte klar ersichtlich.

Hierbei geht es darum, ein Bild vom Status quo der in Ihrem Unternehmen vorhandenen und noch fehlenden Skill-Sets zu zeichnen. Über die damit verbundenen Kennzahlen liefern Sie Antworten auf die Frage, welchen Nutzen L&D-Programme bringen und ob sie zur Förderung oder Sicherung von Umsätzen beitragen.

Lassen Sie hier folgende Aspekte einfließen:

  • Bestehende Kompetenzlücken
  • Skills der Zukunft
  • Lerntempo
  • Skillverschiebungen (wie schnell sich individuelle und organisationsbezogene Skillprofile ändern)
  • Skillwerte (der Geldwert von gefragten Skills)
  • Skill-Kosteneinsparungen (geringere Personalbeschaffungskosten durch internes Upskilling)
  • Vorbereitung der Mitarbeitenden
  • Talentidentifizierung
  • Karrieremobilität
  • Trends

 

Noch nicht überzeugt? Wagen Sie einen Blick in die Zukunft.

Ziel Ihres Unternehmens dürfte es ja sein, die aktuelle Lage nicht nur zu überstehen, sondern gestärkt aus ihr hervorzugehen. Durch Einschränkungen der Lernkapazitäten wird es sich aber eher geradewegs in den Abgrund manövrieren.

Denn ganz gewiss wird die Konjunktur auch wieder auf Erholung schalten und in diesem Zuge auch der Personalbedarf steigen. Wer aber im Vorfeld L&D-Programme oder auch ganze -Abteilungen weggespart hat, wird laut Andrea Maliska von Rebel Learn, einem auf L&D-Themen spezialisierten Consulting-Unternehmen, ins Hintertreffen geraten.

In diesen Unternehmen fehlen ihrer Meinung nach nicht nur Onboarding-Programme für Neuzugänge, auch die Weiterbildungsmaßnahmen für zentrale Rollen in gewinnrelevanten Geschäftsbereichen sind unzureichend und es fehlen Produktschulungen für die Teams aus Vertrieb, Support und Produktmarketing, welche die Feinheiten sämtlicher Produkte verstehen müssen, um diese verkaufen, betreuen und weiterentwickeln zu können.

„All die Kosten, Zeit und Mühe, die einmal in ein L&D-Programm gesteckt wurden, waren vergebens, wenn es eingestellt oder nicht mehr unterstützt wird. Für ein Unternehmen, das Top-Talente oder die besten Kunden für sich gewinnen will, kann dies weitreichende Auswirkungen haben“, führt sie dabei noch sehr treffend an.